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Wer ausbrennt, muss gebrannt haben

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek & Thomas J. Nagy | Ärzte Krone | 19/09 | Medical Coaching | Burnout Teil 1

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BURN-OUT ist zu einem zunehmenden Problem in der heutigen Arbeitswelt geworden. Die Burn-out-Raten in Risikogruppen erreichen 20 Prozent und mehr, subjektiv fühlen sich 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausgebrannt. Persönliche Zusammenbrüche gefährden die Betroffenen und deren Familien, Ausfälle von MitarbeiterInnen verursachen betriebs- und volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Die richtige Prävention kann davor schützen und die Leistungsfähigkeit erhalten.

Besonderer Ehrgeiz, überdurchschnittliches Engagement, Perfektionismus und das Gefühl, nie genug zu geben, paaren sich mit organisatorischen Problemen und wirtschaftlichen Engpässen. Hinzu kommen noch private Belastungen – und fertig sind die idealen Rahmenbedingungen für Burn-out. Burn-out ist eine Kombination aus emotionaler Erschöpfung und Leistungsabfall, die mit einer Vielzahl an körperlichen, kognitiven und emotionalen Einbußen einhergeht. Hinzu kommen Verhaltensänderungen wie Rückzug, vermehrtes Suchtverhalten und Fehleranfälligkeit. Nicht jeder Unternehmer kann akzeptieren, dass seine Mitarbeiter ausbrennen. Was nicht sein soll, das darf nicht sein! Denn die Arbeit macht doch nicht krank! Zum Teil stimmt das auch: Arbeit kann dem Leben Sinn geben. Doch immer öfter werden die Belastungen einfach zu viel.

VERSCHIEDENE URSACHEN

Nicht jede Motivationskrise ist bereits Burn-out, nicht jede Erschöpfung ein Zusammenbruch. Damit es zu Burn-out kommt, müssen zahlreiche Faktoren zusammenspielen. Moderne Entstehungsmodelle gehen neben Arbeit/Beruf von zahlreichen anderen Parametern aus. Der Neurologe und Coach Wolfgang Lalouschek und der Systemische Coach Thomas J. Nagy haben ihr Modell „enneagon“ genannt, das auch die körperliche Gesundheit, Bewegung/Ernährung, Emotionen, soziale Kontakte, Belastung/Stress, Sinn, Selbst und finanzielle Gegebenheiten umfasst.

KUNDIGE PATIENTEN

Fühlen sich Menschen ausgebrannt, dann sind auch ihre Perspektiven eingeschränkt. Sie erleben ihre Situation unkontrollierbar und suchen verzweifelt nach einem Ausweg. Während sie in den ersten Phasen des Burn-out-Zyklus durch besondere Einsatzfreudigkeit auffallen und häufig den vorhandenen Druck leugnen, können sie in späteren Stadien den Sinn ihres Tuns nicht mehr erkennen. Innere Leere und Zynismus machen sich breit. Kundige Menschen erkennen rechtzeitig, wann Arbeits- und Lebensdruck Überhand nehmen und wann und wie sie gegensteuern müssen. Fachkundige Begleitung durch einen kompetenten Coach, PsychotherapeutIn und/oder MedizinerIn kann dabei sehr hilfreich sein.

SALUTOGENESE – DIE LEHRE VOM GESUNDBLEIBEN

Struktur, Vorhersehbarkeit und Sinnhaftigkeit sind die wesentlichen Parameter des Kohärenzgefühls, das Aaron Antonovsky als Grundlage der Salutogenese definiert hat. Gesundheit stellt sich demnach ein, wenn man versteht, was um sich herum geschieht, wenn man über die erforderlichen Ressourcen und Kompetenzen verfügt und das eigene Handeln als sinnvoll und interessant erlebt wird. In der modernen Arbeitswelt und Gesellschaft werden diese Dinge zunehmend in Frage gestellt. In einer krankmachenden Umgebung reagieren Körper und Seele mit Symptomen die – so schmerzhaft sie oft sind – auch als Wegweiser zur Gesundwerdung verstanden werden können.

ENTSCHEIDENDE BRANDSCHUTZMAßNAHMEN

Frühzeitig Belastungsfaktoren identifizieren, aktiv damit umgehen, Lösungsalternativen suchen, deren Umsetzung planen und kontinuierlich nachjustieren sind wirkungsvolle Maßnahmen gegen Burnout. Die Situation soll dabei umfassend betrachtet und der Kunde/Patient fachkundig betreut werden. Auf die verschiedenen Aspekte in der Praxis geht diese Serie ein.

ALARM! SYMPTOME UND WARNSIGNALE

Burn-out beginnt mit hohem Engagement und dem Zwang, sich zu beweisen, und endet mit Depression und völliger Erschöpfung. Dazwischen entwickelt sich die Symptomatik phasenhaft. Veränderungen der eigenen Persönlichkeiten werden oft geleugnet oder getarnt, so dass es KollegInnen, FreundInnen, Familienmitglieder und die Betroffenen selbst erst dann erkennen, wenn die Krise schon vor der Tür steht.

DIE MACHT DER GLAUBENSSÄTZE

Früh im Leben erlernte Regeln und Glaubenssätze helfen uns, nicht bei Rot über die Kreuzung zu gehen und nicht auf die heiße Herdplatte zu greifen. Andere dieser inneren Überzeugungen können aber im Lauf des Lebens zunehmend dysfunktional und schädlich werden. „Liebe bekomme ich nur durch Leistung!“, „Aus Dir wird nie was Anständiges werden!“, „Ich habe nicht alles gegeben!“, „Ich muss es perfekt machen!“ Das sind nur einige Antreiber, die so manchen Burn-out-Patienten in die Krise geleitet haben.

TYPISCH MANN/FRAU

Während Männer nach wie vor karriere- und konkurrenzorientierter sind, stellen Frauen ihre Kompetenzen und Ziele auch heute noch oft hintan oder stellen diese sogar in Frage. Hinzu kommt die Mehrfachbelastung: Mitarbeiterin, Hausfrau, Mutter, Partnerin. Andererseits setzt das klassische Rollenverhalten auch Männer gehörig unter Druck. Wo sind die Unterschiede der Burn-out-Gefährdung zwischen Männern und Frauen?

MACHT ARBEIT KRANK?

Arbeit und Beruf gehören zu den tragenden Säulen unseres Lebens – sie dienen zur Lebenserhaltung, und wir bekommen Anerkennung und Sinn durch unser Tun. Doch allzu oft macht uns die Arbeit auch krank: Dauerstress und Überforderung, Unfairness, fehlende Wertschätzung unserer Leistung oder Angst um den Arbeitsplatz belasten Körper und Seele. Müssen wir dies als „normal“ hinnehmen, und wo liegen unsere Gestaltungsmöglichkeiten?

KRAFTQUELLE FREIZEIT

Zur viel zitierten Work-Life-Balance gehören ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Freizeit sowie ein gesundheitsfördernder Lebensstil: Sport und Bewegung in der Natur sowie eine ausgewogene Ernährung. Körper und Seele profitieren davon gerade in besonders belastenden Zeiten.

RISIKOFAKTOR WIRTSCHAFTKRISE

Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es auch dem Menschen nicht gut. Die herrschende Wirtschaftskrise bedeutet hohe Arbeitslosigkeit, Existenzängste und zunehmenden Leistungsdruck. Wer Angst um seinen Arbeitsplatz hat, geht nicht in den Krankenstand, belegen aktuelle Statistiken. Ohne präventive Maßnahmen ist der Zusammenbruch vorprogrammiert. Der Ausfall hochqualifizierter MitarbeiterInnen kostet Produktivität und Wertschöpfung und verursacht Milliardenschäden.

ZWISCHEN SCHLAFSTÖRUNGEN UND PANIK

Wer nicht abschaltet, nimmt die Arbeit mit ins Bett. Die Gedanken kreisen unaufhaltsam, Strategien werden auch in der Nacht gewälzt. An erholsamen Schlaf ist nicht zu denken. Darunter leidet die Leistungsfähigkeit, der Druck steigt, und die Burn-out-Spirale beginnt sich zu drehen. Privater/beruflicher Ärger, Mobbing, Beziehungskrisen, Existenzängste usw. können auch zu Panikattacken führen. Burn-out entwickelt sich so zum Schreckensszenario für die Betroffenen.

FAMILIENSACHE STRESS

Burn-out gefährdet nicht nur Betroffene, sondern auch deren soziales Umfeld. Und gerade bei hohem Stresslevel der Partner kann sogar die Familie zum Risikofaktor werden. Anstatt Ausgleich und Erholung zu finden, können Beziehungsstreitigkeiten für zusätzlichen Druck sorgen. Arbeiten Ehepartner im selben Unternehmen, kann es vorkommen, dass berufliche Themen rund um die Uhr präsent sind. Berufsleben und Privatleben verschwimmen, der Druck steigt in alle Richtungen und führt letztlich zur totalen Erschöpfung.

BURN-OUT-PATIENTEN IN DER PRAXIS

Über das herkömmliche Arztgespräch hinaus sind kommunikative Fähigkeiten gefragt, wenn ein Patient endlich den Weg in die Arztpraxis wagt oder hinter vorgelagerten Symptomen eine Burn-out- Gefährdung vermutet wird. Neben medikamentöser Behandlung ist oft die Weiterempfehlung an einen Kollegen – fachkundigen Coach oder Psychotherapeut – wichtig. Wie arbeiten diese Disziplinen sinnvoll zusammen? Wie können Ärzte ihre Patientengespräche optimieren, und wie gelingt es, trotz bestehender Zeitengpässe Burn-out besser zu diagnostizieren?